Stellt euch doch einmal folgendes Szenario vor: Die Post ruft bei euch zu Hause an und bittet euch euer komplettes Adressbuch ihr zuzuschicken, da sie ein paar neue Flyer hat und die gerne euren Freunden schicken möchte. Wer wird da nicht stutzig? Würdet ihr der Post euer komplettes Adressbuch geben? Und wenn ja, würde eure Freunde darüber glücklich sein?
So und nicht anders ist es leider auch bei Facebook. Was ganz toll als „Freunde-Finder“ angepriesen wird ist im Endeffekt nichts anderes als oben beschriebene Situation. Nur, dass das für den Anwender nicht so rüber kommt. Facebook schreibt zwar, dass es die Daten ausschließlich nur für diesen einen Zweck erhebt und sie dann gleich wieder löscht, dem ist nach Gerüchten zu urteilen aber nicht so. Ist euch nicht auch schon aufgefallen, auch wenn es schon lange her ist, dass, als ihr euch bei Facebook angemeldet habt, ihr gleich Freunde vorgeschlagen bekommen habt, die ihr wirklich kanntet? Na?
Max Schrems von der Initiative Europe vs. Facebook hat sich die Vertragsbedingungen von Facebook in seinem Jura-Studium zur Grundlage mehrerer Anzeigen gesetzt. In der Presse drehte diese Aktion vor einiger Zeit seine Runden. Max hat sich bei Facebook seine ganzen über ihn gespeicherten Daten zuschicken lassen. Dennoch, auch wenn er immer fleißig Beiträge von seiner Pinnwand gelöscht hat, ausgedruckt hatte er am Schluss über 1200 Seiten Papier in seinen Händen. Eine beachtliche Summe für jemanden, der nur ab und an mal etwas postet.
Er bemängelt zu dem auch, dass das, was Facebook dem Benutzer als gelöscht anzeigt immer noch gespeichert ist, nur, dass nun die Variable „Deleted = true“ gesetzt ist. Daher auch mehrere hundert Seiten Kommunikationsprotokoll von seinen ganzen Nachrichten. Doch beim Durcharbeiten der ganzen Daten über ihn fällt ihm auf, dass das nicht alle Informationen sind, die Facebook über ihn speichert, da er z.B. auch seine ganzen „Gefällt-mir-drücker“ nicht in dem Dokument sieht. Um einen besseren Überblick zu bekommen teilen Max und seine Kommilitonen die erhobenen Daten in 57 verschiedene Gruppierungen auf und beurteilen sie nach ihrer Vertraulichkeit. Nachzusehen gibt es das hier.
Am 8.12. wurde Max Schrems aus Wien für den Chaos Computer Club Stuttgart eingeflogen und hielt einen Vortrag über „Datenschutz in sozialen Netzwerken“ in der Stadtbibliothek am Mailänder Platz in Stuttgart. Ich schätze mal an die 50 Zuhörer zwischen 20 und 60 Jahren waren gekommen! Eine beachtliche Zahl für den kleinen Raum. Die Bibliothek hat auch eine Audioaufzeichnung des zweieinhalb Stunden dauernden Vortrages erstellt, der hier angehört werden kann, wenn er dann einmal online ist.
Interessant fand ich außerdem, möchte man strikt nach dem Gesetz gehen muss ich jedes mal, möchte ich mit jemandem Chatten, ihn zu einer Veranstaltung einladen oder auf einem Foto markieren, ihn davor fragen, da Facebook ja die Daten speichert und somit ein Profil über einen anlegen kann (dazu gleich mehr). Natürlich macht das keiner, da die Telefone sonst wohl nicht mehr ruhig stehen würden und jeder nur noch genervt wäre.
Erschreckend war der Teil, als Max uns erzählte, dass es gar nicht nötig ist sein Profil mit Informationen zu befüllen, außer, dass es eben die Freunde dann sehen. Nein. Facebook könnte anhand eurer Freundesliste schon ein Profil anlegen! Wie das geht? Nehmen wir mal mich als Beispiel. Ich habe mehrere Freunde, die bei der Jugendpresse aktiv sind. Dazu noch viele, die auch mit mir auf den Jugendmedientagen waren. Daher wüsste Facebook zumindest schon einmal, dass ich gerne etwas mit Medien mache und mich nebenher sicher noch in der Jugendpresse engagiere oder wenigstens mit ihr zu tun habe. Des Weiteren waren viele meiner Freunde auf der Realschule. Die meisten würde ich wohl nicht kennen, wäre ich auf eine andere Schule gegangen. Dann hätte ich dort mehr Freunde. Somit weiß Facebook also auch meinen Schulabschluss. Das nur mal als kleiner Denkanstoß.
Natürlich ist das nur ein sehr, sehr kleiner Auszug aus dem wirklich interessanten Vortrag. Mich hat er überrascht, da ich Facebook noch nie so direkt von der anderen Seite aus gezeigt bekommen habe. Selbst habe ich ja schon ein paar Mal über das Thema Datenschutz geschrieben, da ich gerne nach dem Motto lebe: „Wenn ich selber etwas online stelle, weiß ich wenigstens was über mich dazu im Internet steht!“
Zu denken gab mir aber der Teil mit den Daten die in Verbindung mit meinen Freunden stehen. Denn, auch wenn ich heute die Daten, die Freunde z.B. über die Facebook-App auf dem iPhone über mich hochgeladen haben, lösche, lädt sie morgen ein anderer hoch sind sie wieder da und müssten gelöscht werden!
Ich kann euch den Audiomitschnitt nur empfehlen. Die ersten andert halb Stunden ist der eigentliche Vortrag, dann kommt noch eine Fragestunde. Alle Beiträge die zu der Initiative und Max Schrems schon im Fernsehen kamen, könnt ihr im YouTube Channel anschauen.
Um die Frage in der Überschrift zu beantworten: Facebook war noch nie kostenlos und wird es auch nie sein. Wir bezahlen zwar kein Geld, die virtuelle Währung dafür sind nämlich unsere Daten!